3. – 14.4.2018 (Teil2) Georgien – unterwegs mit Lasha in Martvili


Die Rückfahrt von Batumi nach Tbilisi begann wiederum mit Cheeseburger und Kaffee bei Mc Donalds. „Wir fahren noch einen kleinen Umweg, ich zeige dir noch einmal mein Dorf“ waren Lasha’s Worte und los geht es. Die Georgier fahren eben gern Auto und so machten wir noch einen Abstecher nach Samegrelo. In der Tat eine sehr schöne Gegend für die ich eigentlich gern etwas mehr Zeit gehabt hätte.

 

Nach rund eintausend Kilometern in drei Tagen war ich dann doch froh, den Sonntag – das georgische Ostern übrigens – ausschließlich zur Entspannung nutzen zu können. Denn der Montag war wieder geprägt von einem Shooting. Diesmal ging es auf einen alten, stillgelegten Bahnhof, auch wenn man in Georgien nie sicher sein kann ob ein ‚lost place‘ wirklich nicht mehr in Betrieb ist.

Mariam, unser Model sprach sogar ein wenig deutsch und es ein schöner Tag mit tollen Ergebnissen.

Trotz der „Termine“ fand ich auch noch Zeit ein wenig durch Tbilisi zu schlendern und nach ein paar Balkonen, Treppen und alten Häusern Ausschau zu halten. Auch wenn immer mehr renoviert wird, sind diese Orte abseits der Touristenwege noch zu finden.

Am Mittwoch ging des dann wieder mit dem Auto nach Westen. Hatte ich’s eigentlich schon erwähnt… der Georgier fährt unheimlich gern Auto 😉

Unser Ziel war Martvili, rund 300km westlich von Tbilisi in Samegrelo. Dort findet immer am Donnerstag nach dem georgischen Osterfest ein besonderes Ereignis statt. Zu einer kleinen Kirche an einem Berghang pilgern hunderte, wenn nicht tausende von Frauen mit ihren Partner und Familien um für Kindersegen zu beten. Es wird eine kleine Kinderkrippe mitgebracht um sie segnen zu lassen. Lasha hatte mir davon erzählt und ich hatte ein paar spärliche Informationen dazu im Netz gefunden. Wir hatten aber eigentlich keine so wirklich genau Vorstellung davon, was auf uns zukommen würde, denn auch bei den meisten Georgiern ist diese Ereignis weitgehend unbekannt. Ein weitere Freund von mir – Lasha Montsonelidze – denn ich schon seit einigen Jahren als zuverlässigen Guide und Übersetzer kenne, schloß sich uns an. Auch er kannte dieses  Fest noch nicht und wollte es kennen lernen und so zogen wir zu dritt los und „google translate“ hat für 2 Tage Pause.

Nach gut 4 Stunden Autofahrt erreichten wir Martvili. Nun galt es noch ein Quartier zu finden. Es gibt in Georgien eigentlich genug „guest houses“, aber wir fanden genau eines. Es wurde gerade ein wenig umgebaut, die meisten Zimmer waren auch mit Gästen des Kirchenfestes gefüllt, aber man bot uns noch ein Zimmer im Erdgeschoss mit 3 Betten an. Die Dusche wäre im Garten und die Toilette ganz hinten an der Grundstücksgrenze, ein Plumpsklo.  Meine beiden Lasha’s fanden es OK, aber mir wurde bei der Vorstellung hier die Nacht zu verbringen doch etwas blümerant. Die Frage, ob es nicht etwas anderes zum Übernachten gab wurde zunächst verneint. Dann hieß es, es gäbe noch ein neues Hotel, aber da würde ein Zimmer mindestens 250$ kosten. Ohne zu überlegen sagte ich ja, da will ich hin. Wir fuhren die Straße rund 900m zurück und da lag tatsächlich ein schönes neues Hotel, im letzten September fertig gestellt. Es gab nur weder Personal noch Gäste. Nach kurzem Suchen fanden wir einen jungen Mann der wohl so eine Art Rezeptionist darstellte. Er sagte eigentlich hätten sie noch keine Gäste, das Restaurant wäre auch geschlossen, aber er würde mir mal ein Zimmer zeigen. Kurzum, das Zimmer war perfekt und der Preis wurde nach kurzem überlegen auf 50 Lari festgesetzt, das sind umgerechnet knapp 20 Euro.

Ich habe die beiden Lasha’s natürlich sofort eingeladen hierher umzuziehen, aber sie wollten sich nicht vom guesthouse trennen. OK, so verbrachte ich die Nacht allein (mit dem Rezeptionisten) in einem 30 Zimmer Hotel neben einem wunderschönen Park.

Wir nutzten den Rest des Tages, um ein wenig die Gegend zu erkunden, der Martvili Canyon war leicht zu finden und touristisch voll erschlossen. Zwei Wasserfälle, die wir aufsuchen wollten, waren zwar hervorragend ausgeschildert, die fraglich Strecke waren zwar nur 6 km, aber die Straße erwies sich als eigentlich nicht befahrbar. So entschlossen wir uns nach gut halber Strecke wieder umzudrehen, da wir sonst nicht mehr bei Tageslicht zurückgekehrt wären.

 

Den Abend verbrachten wir gemeinsam mit dem Rezeptionisten auf einer Bank vor „meinem“ Hotel mit mitgebrachtem Rotwein und etwas zu Essen aus dem örtlichen All-in-One-Shop. Die Gläser steuerte der Rezeptionist aus dem Restaurant bei. 

Plötzlich kam eine Hochzeitsgesellschaft, um im Park einige Fotos zu machen. Beaufsichtigt wurde sie von der örtlichen Polizei und Lasha nutzte gleich die Gelegenheit sich für Morgen zu erkundigen. 

So erfuhren wir, dass die Straße zur Kirche bereits nachts ungefähr 8 km vor der Kirche gesperrt wird um ein Verkehrschaos zu verhindern. Man kann nur zu Fuß dorthin. Aber wenn wir sehr früh kämen würde er uns unter Umständen ein klein wenig dichter an die Kirche heranfahren lassen.

So starten wir am nächsten Morgen bereits um 5.15 Uhr. Und gut 8 km vor der Kirche gab es die die erste (von insgesamt 5 Straßensperren) Wir hängen uns alle verfügbaren Kameras um den Hals und machten einen auf ‚ganz wichtig‘. „Journalist aus Deutschland, extra für das Event angereist, den könnt ihr doch nicht zu Fuß… usw.“

Erste Straßensperre

Erste Straßensperre

Funktionierte das bei der ersten Sperre noch recht einfach, erforderte die nächste Sperre schon mehr Überredungskunst, aber es klappte. Zwei georgische Fotografen die zu Fuß auf dem Weg waren, wurden kurzen Hand eingesammelt und mit nun 5 Fotografen mit dicken Kameras um den Hals wurde auch die 3.und 4. Straßensperre überwunden. Für die letzte wurde dann noch mit über 80 KG Ausrüstung, die der deutsche Journalist zu schleppen hätte, argumentiert und so konnten wir letztlich bis zur Kirche vorfahren. 

Erst hier nun im Laufe der Zeit erschloss sich mir, was hier passiert. Es ist nicht ein einzelnes Event bzw. ein Gottesdienst, sondern mehrere Gottesdienste den ganzen Tag über. Die Frauen, Partner und Familien kommen den ganzen Tag über. Sie pilgern zu Fuß zur Kirche, umrunden diese dreimal gegen den Uhrzeigersinn, zünden Kerzen an, beten und und lassen sich und vor allem die Krippen, schließlich im Gottesdienst segnen. Viele bringen auch ein Schaf oder ein paar Hühner als Opfergabe mit, häufig wenn sie bereits im Vorjahr hier waren und sich der Kindersegen nun eingestellt hat. Aber keine Angst, die Tiere werde nicht geopfert. Die Geistlichen verwahren die Tier zunächst in Gehegen und nach dem Fest werden diese bedürftigen Familien gegeben. 

Es sind wirklich endlose Pilgergruppen, die den Berg hinaufkommen. In die Kirche ist kein hineinkommen und um die Kirche wird es auch immer voller. Es fällt mir schwer zu fotografieren, die Menschen sind emotional sehr angerührt, einige wirken müde und erschöpft bis verzweifelt, es sind viele Tränen zu sehen. Es berührt mich so sehr, dass ich häufig einfach vergesse zu fotografieren oder es einfach nicht schaffe die Kamera drauf zu halten. 

Um acht Uhr beginnt dann der erste Gottesdienst auf einer Plattform neben der Kirche und ich habe es natürlich verpasst. Als ich merke das es los geht, stehe ich ganz hinten und sehe vom Geistlichen und der Zeremonie so gut wie nichts. Plötzlich packen mich zwei Hände an den Schultern und beginnen zu schieben. Es mein Fotofreund der Lasha, er schiebt mich wie einen Bulldozer vor sich her durch die Menschenmasse, bis ich ganz vorn in der ersten Reihe direkt vor dem Geistlichen zu stehen komme. Nun verdecke ich aber die Sicht für vorne stehenden eher kleineren georgischen Frauen, was dem Geistlichen irgendwie nicht gefällt. Lasha wechselt also mitten im Gottesdienst ein paar Worte mit ihm, „Journalist aus Deutschland… usw.“, der Geistliche nimmt mich am Arm und platziert mich kurzerhand direkt neben sich.  So habe ich zwar einen Logenplatz, bin aber für Fotos eigentlich ein wenig zu dicht am Geschehen. Es ist aber ein tolles Erlebnis. Der Geistliche hat sichtlich Spaß daran beim Segen, das Weihwasser großzügig zu verteilen. Zum Glück ist meine Fuji „weather resistant“.

Nach dem Gottesdienst schauen wir uns noch ein wenig um. Immer mehr Leute kommen zur Kirche. Und es kommen auch im mehr Autos, denn der Georgier fährt eben gern mit dem Auto und fünf Straßensperren sind für einen gewöhnlichen Georgier nun einmal kein wirkliches Hindernis. Es gibt genug Waldwege, mehr oder weniger geheime Umfahrungen und Abkürzungen. Und so schleichen neben den Fußpilgerern auch immer mehr Autos die eigentlich einspurige Schotterpiste hoch, die bereits zur Hälfte mit parkenden Autos gefüllt ist.

Wenn wir hier vor dem Sonnenuntergang weg kommen wollen, dann jetzt. So bereichern wir das Chaos mit unserem talwärts schleichenden Subaru.

Nach einer knappen Stunde haben wir die acht Kilometer geschafft und nun geht es zügig nach Martvili. Erst einmal Essen!

Zur Entspannung besuchen wir noch den Okatse Canyon, der sich aber fotografisch als Flop erweist. Am Abend sind wir dann wieder in Tbilisi. Den verbleibenden Freitag brauche ich, um noch ein paar Freunde zu treffen und Lasha um Koffer zu packen und sich mental auf die Reise nach Deutschland vorzubereiten, denn am Samstag vormittag geht es gemeinsam nach Hamburg.

– wird fortgesetzt –  stay tuned –   

Kategorien:Reiseberichte

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