30.6. – 15.7.2017 Armenien (4) Bergkarabach


Auf nach Bergkarabach… Moment da war doch etwas… Kriegsgebiet…Aktuelle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes: „Von Reisen in die Region Bergkarabach wird dringend abgeraten“

Hmmm, klingt gefährlich…
Wir erreichen die Grenze am frühen Nachmittag, nun ja Grenze… wenn man nicht genau hinschaut, fährt man leicht vorbei. Es gibt keinen Schlagbaum, keine Grenzsoldaten, nur ein Stoppschild und ein Gebäude. Dort legen wir unsere Pässe vor, die Nummern und Namen werden notiert und man wünscht uns gute Fahrt. Wir mögen nur möglichst bis 18 Uhr unser Visum beim Aussenministerium in Stepanakert, der Hauptstadt der autonomen Republik Bergkarabach abholen. Nach einigen Fotostopps erreichen wir um 17 Uhr das Aussenministerium. Ganz ohne Wartezeit werden wir freundlich gebeten ein paar Angaben auszufüllen und erhalten dazu einen ausgefüllten Musterbogen als Vorlage. Name, Heimatanschrift, Geburtsdatum, Name des Hotels in dem wir wohnen werden, und die Orte in Bergkarabach die wir besuchen wollen, das war’s. Und schon 15 Minuten später halten wir alle ein von Hand ausgefülltes Visum in der Hand und können selbst entscheiden, ob wir es in unseren Pass einkleben möchten.
Der Hintergrund ist folgender, nach aserbeidschanischem Recht ist das Betreten von Bergkarabach ohne Genehmigung aus Baku ein Straftatbestand. Mit dem Visum im Pass könnte man also nicht mehr gefahrlos nach Aserbaidschan einreisen. Politik ist manchmal schwer zu verstehen.
Nun sind wir also in Bergkarabach und wie das Auswärtige Amt schreibt ohne konsularischen Schutz: „Reisenden, die sich nach Bergkarabach … begeben, kann weder durch die Botschaft Eriwan, noch durch die Botschaft Baku konsularische Hilfe oder Beistand gewährt werden.“
Und wie ist das hier so? Stepanakert ist eine Stadt wie jede andere auch. Wir sehen, wie auch an den folgenden Tagen auch, keinen einzigen bewaffneten Soldaten. Gelegentlich sieht man Armeeuniformen, die teils von Bewohner aus Solidarität getragen werden oder es sind Soldaten die mit ihrer Familie einkaufen oder den kleinen Freizeitpark besuchen. Auch die Polizei ist kaum präsent. Die ganze Stadt wirkt ausgesprochen ruhig und friedlich.
Der große Platz mit dem Parlamentsgebäude lädt natürlich zur Fotografie ein. Und während wir noch die richtige Perspektive überlegen und auf einen alten Lada warten, macht sich vom Parlamentsgebäude in aller Seelenruhe ein Mitarbeiter der Sicherheit auf den Weg und schlendert über den Platz zu uns. Er fragt wo wir herkommen und was wir hier so machen. Dann erklärt er uns, dass das Fotografieren dieses Gebäudes verboten ist und es nett wäre, wenn wir die Bilder löschen würden. Und damit schlendert er wieder zurück auf seinen Posten. Ausgesprochen freundlich, kein Kontrollieren der Speicherkarte, kein „Vorführen“ der Bilder… erstaunlich. Das habe ich an deutlich harmloseren Orten schon ganz anders kennen gelernt.
Und parallel zu dieser Idylle sehen wir im Internet und TV die Bilder von Gewalt und Chaos des G20 Gipfels in Hamburg… für welchen Ort galt die Reisewarnung noch einmal…???
Impressionen aus Stepanakert:

 

Einen ganzen Tag nehmen wir uns Zeit für einen Ausflug „aufs Land“. Ziel sind die Klöster Dadivank und Gandzar. Die Klöster sind historisch sicher interessant, aber fotografisch nicht unbedingt ein Highlight. Die Landschaft ist allerdings grandios. 35% der Fläche von Bergkarabach ist bewaldet, also ganz anders als Armenien. Endlose Wälder, Almen, kleine Dörfer und viel landwirtschaftliche Fläche, die teils eher aussieht wie bei uns eigens geschaffene Wildblumenwiesen. Wir überholen einen Esel, der einige Bohnenstangen transportiert… und es endet…wie sollte es anders sein… mit einer Einladung. Kurze Zeit später stehen wir an einer Alm, mit Vieh, Hühner, Gänsen, Hund und Katze.. und Oma, die gerade auf dem Outdoorherd das Mittagessen zubereitet. Großes Hallo und viele Fotos, bis irgendwann die freundliche aber resolute Oma sagt: “Nun ist aber Schluss, die Männer müssen essen!“ Und so machen wir uns wieder auf den Weg, um wenige Minuten später am Straßenrand bei einem „fahrenden Imker“ zu stehen. 230 Bienenvölker stehen da so rum, um ca. 4,5 Tonnen Honig zu produzieren.
Es gibt endlos viele Motive. Ein alter Raupenschlepper mit Heuanhänger muss natürlich fotografiert werden und kurze Zeit später steht der gesamte weibliche Teil der Familie (die Männer sind auf dem Feld) mit uns zusammen. Und selbst eine einfache Heuballenpresse führt zu netten Gesprächen. Man kann sich dem Charme der Menschen einfach nicht entziehen.

 

Bevor es am nächsten Tag wieder zurück geht Richtung Yerevan, nehmen wir uns noch einen Nachmittag Zeit für „die Jagd auf den Knien“, also Papierblumen, Schmetterlinge, Heuschrecken, Bienen, Spinnen, Libellen, Schildkröten usw, die erhoffte Blauracke zeigte sich leider nicht.
Alle Aufnahmen vom selben Fleckchen:

 

Die Landschaften und die Menschen in der autonomen Republik Bergkarabach oder Artsakh wie es sich selbst inzwischen nennt, mag ich sehr. Ich weiß, dass dieses Gebiet völkerrechtlich sehr umstritten ist und ich kann auch nicht nachvollziehen, wer hier wann wen woraus vertrieben hat. Es ist in jedem Fall mit Ungerechtigkeit und Leid verbunden gewesen. Ich würde mir sehr wünschen, wenn Armenier und Aserbeidschaner wieder miteinander reden und zumindest eine Lösung versuchen würden. Ich weiß, dass es schwierig ist, es gibt hier so viele Enklaven und Exklaven, so viel „verbrannte Erde“ das es eine Herkulesaufgabe sein wird hier eine Annäherung zu versuchen. Aber vielleicht kann ich irgendwann auch von Aserbeidschan aus in diese schöne Region reisen. Die Hoffnung darf nicht sterben…nie!

 

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