Manchmal fragt man sich ja schon, was man da eigentlich macht. Von Lübeck nach Köln, dort einen Freund treffen, am nächsten Tag einen anstrengenden beruflichen Termin und dann zum Flughafen Köln-Bonn um nach Armenien zu fliegen. Der Flughafen ist eine angenehme Überraschung beim Check-In kann ich mir den Schalter aussuchen – 5 offene Schalter und keine Fluggäste. Auch bei der Sicherheitskontrolle wartet man nur auf mich und so bin ich ruck zuck am Gate. Da ich noch sehr viel Zeit habe kann ich noch ein wenig arbeiten dank eines schnellen und stabilen Hotspots. Pünktlich geht es ab nach Wien, das mich mit heftigen Wind und starkem Regen empfängt. Glücklicherweise ist das Terminal hohl und so kann ich in Ruhe in Richtung meines Gates schlendern und noch einen Happen essen. Ich hatte mich eigentlich auf ein Wiener Schnitzel eingestellt, aber das scheint hier ziemlich unbekannt zu sein und so wurde es dann doch das hier allgegenwärtige chinesische Wok-Gemüse mit Lammfleisch. Als ich etwa eine Stund vor Abflug mein – etwas entfernt gelegenes – Gate G09 erreiche, bin ich dort praktisch allein. Wahrscheinlich will außer mir niemand nach Armenien…
Aber pünktlich zum Boarding um 22.00 Uhr ist es dann doch ziemlich voll und der Airbus A320 ist doch tatsächlich fast ausgebucht. Wir starten pünktlich um 22.20 Uhr bei starkem Wind und Starkregen. Es rüttelt dann auch etwas auf dem Flug, aber nach einem kleinen Nachtmahl auf der Austrian Airlines Maschine – es gibt italienische Pasta- kann ich dann doch noch 2 Stunden mehr oder weniger gut schlafen. Um 03.50 Uhr Ortszeit (+2 Stunden Zeitverschiebung) landen wir in Yerevan und ich bin schon ein wenig aufgeregt, wird alles klappen, läßt man mich einreisen, holt mich jemand ab?
Aber die Einreise ist absolut perfekt. Nachts um diese Zeit sind alle (!) 12 Schalter der Passkontrolle besetzt und mit einem Nummernsystem wird jeder zu dem nächsten freien Schalter geleitet. „Meine“ Grenzbeamtin hat den üblichen, professionell grimmigen Blick, liest in den Stempeln meines Passes wie in einem spannenden Buch. Der türkische Ein- und Ausreisestempel findet ihr Interesse, aber da sie keine Stempel aus Aserbeidschan findet, schenkt sie mir ein kurzes Lächeln und gewährt mir ein dreimonatiges Visum für Armenien. Ohne Probleme durch den Zoll erblicke ich direkt hinter der Ausgangstür schon das Schild „Bingshiling“ – Armin hat an alles gedacht. Eine freundliche etwas englisch sprechende Dame und ein Fahrer nehmen sich meiner an und schon eine knappe halbe Stunde nach der Landung sitze ich im Auto, das mich nach Giumry, der zweitgrößten Stadt Armeniens bringen wird. Ich bin zwar reichlich müde, aber die Dame muss mir unbedingt die in der Dunkelheit liegenden und nicht sichtbaren Sehenswürdigkeiten, sowie den Weg den wir nehmen, erklären. Der Fahrer fährt sehr gewissenhaft. Wir halten an jeder roten Ampel, obwohl wir um diese Zeit das einzige Auto in der ganzen Gegend sind (in Italien wäre das unvorstellbar). Wir verlassen die Stadt und rumpeln über die holprige Straße, immer munter den Schlaglöchern ausweichend. Ganz langsam wird es etwas hell und ich kann die Landschaft erahnen. Endlose baumlose und steinige Hügel und im Hintergrund die Berge des Aragaz (nicht zu verwechseln mit dem Ararat). Die wenige Ortschaften, die wir durchqueren wirken ein wenig wie eine „Lost-Place-Rundfahrt“.
Aber nach knapp 2 Stunden erreichen wir um kurz nach sechs Uhr das Hotel und bevor ich etwas sagen kann, hat die freundliche Dame bereits sowohl den Reiseleiter, als auch Armin aus dem Bett geholt und ich werde freundlich begrüßt.
Armin läßt mich in seinem Zimmer duschen und die Sachen wechseln und um 7 Uhr machen wir einen ersten Spaziergang in den „Lost Place“ hinter dem Hotel. In der Stadt Giumry lebten mal über 350.000 Einwohner, seit dem schweren Erdbeben 1988 sind es nur noch knapp 150.000. Viele Häuser sind immer noch eingefallen (und werden teilweise trotzdem noch bewohnt). So auch das ehemalige Fabrikgelände hinter unserem Hotel. Ein alter Kran und eine Förderanlage erwecken unsere Aufmerksamkeit und werden inspiziert. Entferntes Hundegebell stört uns nicht weiter, bis plötzlich 3 mannshohe kaukasische Schäferhunde bellend vor mir stehen. Ganz ohne Sprachkenntnisse ziehen wir uns diskussionslos zurück. Der Lärm hat aber den Besitzer der Hunde auf uns aufmerksam gemacht und er steht plötzlich gestikulierend vor uns. Wir sollen wohl das Gelände sofort verlassen. Wir zeigen uns reumütig und orientierungslos und so werden wir dann doch freundlich aber bestimmt zum Ausgang geleitet. Nun aber zurück zum Hotel und frühstücken und den Rest der Gruppe kennen lernen.

Erdbebenopfer von 1988

Da müssen wir hin…

Unser Hotel… mit unserem Transportmittel für die nächsten Tage… ehem… das rechte natürlich.
Aus eigener kulinarischer Erfahrung kann ich versichern, am Wiener Flughafen gibt es auch Wiener Schnitzel – werden dort nur gut versteckt, damit nicht jeder Durchreisende in den Genuß kommt. 🙂
Danke für den Hinweis. Werde beim nächsten Mal intensiver suchen 😉