Wir haben es uns nach der Anreise mit Hindernis in unserem komfortablen Hotel in Stepanzminda gemütlich gemacht. Mein Darmvirus hält sich hartnäckig und kämpft nun offenbar mit den verordneten Medikamenten um die Vorherrschaft in meinen Körper. Und obwohl ich mich eigentlich schonen will, lockt mich der blaue Himmel dann doch um 6.30 in den Ort um „das-klassische-Kasbeg-Sonnenaufgangsfoto“ zu machen.
Super, da lässt sich der Tag doch gleich gut an 🙂
Für den Aufstieg zu dieser Kirche, der Dreifaltigkeitskirche, fühle ich mich aber doch noch zu schwach. Lasha hat natürlich eine Lösung parat und und in zwei Minuten ist ein Off-Roader organisiert. Die Fahrt hinauf (und auch hinunter) würde ich mal als „shake it Baby, shake it“ bezeichnen. Als wir nach eine halben Stunde auf abenteuerlichen Pfaden (Straße wäre wirklich übertrieben) oben ankamen, waren wir doch erstaunt, das noch alle am selben Platz saßen. Gefühlt haben wir jeder jede Ecke des Fahrzeugs kennen gelernt.
Hier oben an der Kirche toben wir uns dann fotografisch erst einmal aus. Perspektiven, Lichteinfall und die mehr oder weniger Vermeidung von Autos oder anderen Touristen im Bild. Es gibt unzählige Herausforderungen. Nach zwei Stunden, die unser Fahrer mit stoischer Gelassenheit und wahrscheinlich dem ein oder anderen Kopfschütteln über die im Gras (und auch auch Kuhscheiße) liegenden Fotografen abgewartet hat, fahren – na ja schütteln – wir dann wieder nach unten.
Hier wartet schon Dato mit unserem Bus und ab geht es zu unserem zweiten Stopp, dem Dorf Tsdo. Da ich den Ort schon kenne, wollten wir hier einige Fotos „mit Tüchern im Wind machen“. Unsere Models Elke und Anke meisterten die Aufgabe hervorragend.
Es wohnt in diesem Dorf eine alte Frau, die ich schon 2012 gern fotografiert hätte, doch mein Versuch wurde damals jäh beendet, als sie mit einen Knüppel auf mich los ging. Auch Georges Überredungskünste halfen nicht. Dieses Jahr im April war ich ja mit Nino hier, die sich unter Einsatz ihres Lebens dafür eingesetzt hatte und über eine viertel Stunde mit ihr verhandelte (aber ich entging wenigstens dem Knüppel).
So packte mich natürlich auch in diesem Jahr der Ehrgeiz und diesmal war Lasha dran. Er hat wirklich alles gegeben, aber die resolute Frau brachte freundlich, aber sehr energisch zum Ausdruck: Keine Fotos. Eigentlich schade, sie hat ein wirklich schönes und markantes Gesicht.
Na ja, ich komme bestimmt noch mal wieder…
Den Rest des Tages ging es noch mal kurz an die russische Grenze, einige kurze Fotostopps an Aussichtspunkten, da sich aber der nachmittägliche Regen einstellte zog es uns dann zurück ins Hotel – ein wenig entspannen ist ja auch ganz gut.
Für den nächsten Morgen stand unser Ausflug ins Trussotal an. Unser völlig entspannter Off-Road-Fahrer erwartete uns schon, musste nur noch kurz sein Netz einpacken, denn wenn der dort schon einmal sei, könne er ja auch gleich ein paar Forellen mitnehmen – aha „mitnehmen“.
Das Trussotal liegt im Grenzbereich zu Russland und Südossetien. An der „üblichen“ Einfahrt ins Tal ist eine Brücke über den Fluss, die wie Lasha es ausdrückte, „heruntergefallen“ ist. Um also mit dem Fahrzeug in das Tal zu gelangen müssen wir über den Pass. Was unser Fahrer bei der Fahrt über diesen Pass an Fahrkünsten aufbot war einfach unbeschreiblich. Dagegen war unserer gestrige „Shake it Tour“ zur Kirche ein entspannter Familienausflug auf einer gut ausgebauten Straße, denn meist bewegten wir uns auf Steinbruch ähnlichem Gelände.
Es kam uns auf der Passhöhe ein Schäfer (natürlich in seinem Allrad) entgegen. Unser Fahrer fragte kurz wie die „Straße“ sei, die Antwort: katastrophal! Unser Fahrer bedankte sich und fuhr ungerührt weiter und erklärte auf Nachfrage: Na ja er ist ja durch gekommen, warum wir dann nicht? – Auch eine Auffassung.
Und er hat uns auch tatsächlich sicher in dieses grandiose Tal gebracht. Es ist eine gewaltige und faszinierend Landschaft. Wir konnten uns gar nicht satt sehen, der Fluss, die Sinterterrassen, Die Hirten mit Kühen, Eseln, Schafen und dann das Dorf Ketrisi – ohne Strom – ohne Wasserleitung – ohne Abwassersystem leben hier im Sommer noch eine Reihe Menschen. Es ist ein „lost place“ und Daniel konnte sich gar nicht lösen.
Weiter als das Dorf Ketrisi darf man nicht, um nicht zu dicht an die Grenze zu geraten und so unbeabsichtigt einen Grenzzwischenfall zu provozieren. Daher gibt es hinter dem Dorf auch eine kleine Soldatenstation. Unser Fahrer fand diese „Regularien“ etwas überflüssig. Und er müsse uns unbedingt noch eine Kirche zeigen und außerdem gebe es die Forellen erst „dahinten“, hier ist das Wasser zu sauer. Und so setzten wir unsere Fahrt zunächst durch den Fluss und dann zur Kirche fort. Und wenn die Soldaten uns anhalten? Das machen die nicht und außerdem kenne ich die alle und die trauen sich nicht mir was zu sagen – „O-Ton Fahrer“. OK
Die Kirche war wirklich lohnenswert. Etwas erhöht gelegen bot sie einen tollen Blick auf das Tal. Nur warum man die Toten nicht beerdigt sondern neben der Kirche aufstapelt ist mir nicht so ganz klar geworden.
Es geht weiter hinein ins Tal zum Fischen. Einen „Weg“ gibt es inzwischen nicht mehr. Ein kurzer kritischer Blick und der richtige Platz ist gefunden.
Das Netz wird ausgepackt und ich suche mir eine geeignete Position zum Fotografieren. Aha, so wird also das Netz ausgeworfen und wieder eingezogen.
Ich stelle mich auf einen langen Nachmittag ein… bevor ich jedoch noch einmal über eine andere Kameraposition nachdenken kann, ist die Aktion schon beendet. Mir fällt die Kinnlade runter… drei, vier Würfe und das Abendessen für die Familien und Gäste ist im Sack. Das Forellen fangen geht hier, am Ende der Welt, also schneller als der Einkauf bei Nordsee in Deutschland!
Immer noch etwas ungläubig, dass es das schon war, verstauen wir uns wieder im Auto und zurück geht es zunächst nach Ketrisi, wo wir noch einen ausgiebigen Fotostopp einlegen. Und dann geht es zurück über den Pass bis an die Hauptstraße, wo Dato mit unserem Kleinbus einen entspannten Tag verbracht hat, aber seine Stunde sollte noch kommen.
Erschöpft von diesen ganzen Eindrücken fuhren wir zurück nach Tbilisi, allerdings nicht ohne dem Kreuzpass und dem Denkmal der russisch-georgischen Freundschaft noch einen fotografischen Besuch abzustatten.
Kurz vor Tbilisi gab es dann ein merkwürdiges Geräusch, rechts ran und der rechte Vorderreifen war platt. So ein Mist, aber Dato ärgerte sich offenbar mehr, dass er nun nicht rechtzeitig zum Abendessen zu Hause sein würde. Ruckzuck war eine elektrische Pumpe ausgepackt, angeschlossen und der Reifen wieder mit Druck versorgt.
Leider war die Reparatur nur von kurzer Wirksamkeit, denn bei der Einfahrt in die Stadt wiederholte sich das Spiel. Hier gab es aber nun eine nur für einheimische erkennbare Fachwerkstatt. Also, rechts ran, Reifen runter, Ventil getauscht, Luft wieder rein, Reifen wieder drauf und weiter geht’s. Das mal mal ein echter Boxenstop! Bei uns hätte wahrscheinlich schon die Terminvereinbarung länger gebraucht.
Die Wirksamkeit dieses Reparaturversuches war allerdings auch nur begrenzt, aber Dato schaffte es immerhin bis fast vor das Hotel. Inzwischen war er aber doch spürbar sauer!
Das Abendessen im „Old House“ verlief dann, überraschenderweise ohne Komplikationen. Die Rückfahrt mit dem Taxi war interessant, denn nachdem wir uns zu fünft in den Mercedes gepackt hatten, fiel dem Fahrer auf dass er seinen Schlüssel nicht finden konnte. So mussten wir uns noch einmal „umpacken“ in einen Opel. Der Fahrer war zwar skeptisch ob wir da alle reinpassen, fuhr uns aber mühelos bis „fast vors Hotel“. Die letzte Steigung war dann doch etwas zuviel für die Kupplung. Aber nun hatte ihn der Ehrgeiz gepackt. Mit Geholper und Geruckel legten wir auch die letzten Meter zum Hotel im Taxi zurück und es ging mal wieder ein „ganz normaler Urlaubstag“ zu Ende.
Lieber Jens, ein sensationell ereignisreicher und herrlich witziger Bericht… ich freu mich auf mehr!!! Grüße und gute Besserung!