Bevor wir unsere „Ostschleife“ nach Kachetien starten, muss uns Sasha noch ein paar Dinge in Tbilisi zeigen. Zuerst geht es hinauf nach Matsminda, wo wir einen tollen Blick über den östlichen Teil der Stadt haben. Sein eigentliches Ziel ist aber eine Straße, auf der das Auto bergauf rollt. Ich habe schon einige solche optischen Phänomene gesehen, aber dieser Ort ist wirklich verblüffend. Sogar wenn man im Auto sitzt, hat man das deutliche Gefühl bergauf zu rollen.
Das Auto rollt tatsächlich „bergauf“
Weiter geht es zu einem Fahrstuhl. Ja ganz richtig, ein ganz normaler Fahrstuhl in einem ganz normalen Wohnhaus. Er ist seit über 40 Jahren in Betrieb. Das besondere… er funktioniert nur, wenn man eine Münze (10 Tetri = ca. 4 Cent) einwirft. Dann muss man noch die richtige Stelle im Fußboden finden um den Kontakt zu schließen, mit seeeeehr viel Schwung die Tür zuziehen und schon rattert das Wunderwerk der Technik los. Die Innentür bleibt natürlich offen.
Von dem gesammelten Geld werden übrigens die Reparaturen bezahlt. Eine nicht so schlechte Idee…
Nun müssen wir aber los nach Kachetien. Es geht Richtung Osten und dann zum Gombori-Pass hinauf. Auf der anderen Seite wieder herunter und schon sind wir in Telavi. Zunächst schauen wir uns eine 900 Jahre alte Platane an (Stammdurchmesser 3,6m). Wir haben Lust auf einen Kaffee und gehen in das direkt daneben befindliche Cafe. Schnell wird die Bestellung aufgenommen, doch nach schon rund 5 Minuten erhalten wird die Mitteilung, dass die Milch leider alle sei und es daher keinen Milchkaffee gibt. Es wird umbestellt und schon nach weiteren 5 Minuten kommt die Meldung, dass auch der türkische Kaffee alle sei. Also nochmal umbestellt und schon nach weiteren 5 Minuten (gefühlt 30 Minuten) kommen 3 Kaffee Americano und ein grüner Tee – oh Wunder. Der Preis ist mit insgesamt 12 Lari dafür locker auf Hauptstadtniveau.
So gestärkt geht es ab in den Markt. Der Markt von Telavi ist recht groß und nicht so dunkel wie viele andere Märkte und auch hier gibt es tolle Dinge zu fotografieren. Und so schließen wir Freundschaft mit verschiedenen Schlachtern, Gemüsehändlerinnen und Hühnerfutterverkäufern.
Der freundliche Schlachter von nebenan…
Der Futterhändler ihres Vertrauens…
Unser nächster Stopp ist ganz das Gegenteil, wir machen eine Führung und Weinverkostung im Weingut Schuchmann – sehr lecker!. Sie vertreiben ihren Wein inzwischen auch in Deutschland, fast wichtiger war aber das kleine Shooting nebenbei 😉
Da hat man nur Augen für den Wein…
Die Zeit vergeht wie im Fluge und wir müssen uns sputen, damit wir das Museum in Gremi noch erreichen, bevor es schließt. Die freundlichen Mitarbeiter machen extra für uns eine halbe Stunde länger, damit wir noch ein paar Fotos machen können.
Dann geht es zu unserem Zielort Sighnaghi. Wir erreichen das Hotel gegen kurz vor acht und der Besitzer lächelt uns von Eingang schon freundlich an, um uns dann zu sagen: „ Ihr kommt doch erst morgen! Die Agentur hat doch eure Zimmer extra von heute auf morgen umgebucht. Tja, nun ist leider schon alles besetzt.“
Aber wir sind ja in Georgien. Wortreiches Palaver zwischen unserem Fahrer, dem Hotelbesitzer und diversen anderen Personen, die damit eigentlich nichts zu tun haben, aber meinen mitreden zu müssen/können. So ist doch endlich mal was los.
Aber wir sind ja wie gesagt in Georgien. Innerhalb von 10 Minuten werden im Hotel noch zwei Zimmer „gefunden“ – müssen nur noch kurz klar gemacht werden. Und Sasha und ich ziehen 100m weiter in ein Guesthouse ein, also alles kein Problem.
Die Dame des Hauses (im Hotel) lässt es sich nicht nehmen extra für uns vier noch ein leckeres Abendessen zuzubereiten. Neben vielen anderen Sachen gibt es Imegreli – Huhn in Knoblauchsahnesoße – dazu leckeren Bauernweißwein nach georgischer Art… nun kann uns nichts mehr erschüttern.
Der nächste Tag beginnt mit einem langen und regenreichen Gewitter. Die Straßen gleichen eher Flüssen. Wir verlängern daher das Frühstück etwas und schauen dem Schauspiel zu. Nach dem Regen kommt die Sonne… diesmal aber nicht. Es ist sehr neblig, wir sind irgendwie in den Wolken und so können wir den tollen Ausblick ins riesige Alisanital, durch das wir gestern gefahren sind, nicht erleben. Ein Stadtbummel und ein paar nette Fotosessions mit den örtlichen Gemüseverkäufern gleichen das aber aus.
Und dann besuchen wir natürlich noch die Teppich-„Fabrik“, praktischerweise direkt neben unserem Hotel. In mühevoller Arbeit werden hier Teppiche nach alter georgischer Tradition gewebt und geknüpft. Alles mit Naturmaterialien und Farben. Für einen geknüpften Seidenteppich (ca. 3 mal 3 Meter) haben 3 Frauen zusammen 10 Monate gearbeitet.
Schöne Teppiche, alle in Naturfarben…
Dann geht es Richtung Tbilisi, das Kalte Kloster David Gareja steht auf dem Programm. Vorher wollen wir aber gern noch „vor ihren Häusern sitzende georgische Männer“ fotografieren. Sasha meint das wäre nicht schwierig, da dies hier so eine Art Volkssport ist, gern auch mal in der Variante „hocken“. Schon im ersten Dorf werden wir fündig… mindestens 25 Männer sitzen, reden oder spielen Domino. Sie sind doch einigermaßen überrascht, plötzlich „Opfer“ von 3 Fotografen zu sein und verstehen nicht warum. In einer Mischung aus Neugier und Verwunderung entsteht eine tolle Stimmung und letztlich erhalten wir zum Abschied sogar eine Wassermelone geschenkt.
Georgische Meisterschaften im sitzen und stehen 🙂
Wir fahren weiter und die Landschaft ändert sich recht bald und überraschend schnell von fruchtbare, Ackerboden und Weinfeldern zu trockener Grassteppe.
Wassermelonenpause am Salzsee…
Nach rund 50 km Fahrt durch diese karge Landschaft erreichen wir das Wüstenkloster David Gareja. Völlig unscheinbar liegt es plötzlich einfach da. Wir machen uns an den gut einstündigen Aufstieg und werden oben mit einem herrlichen Blick über die endlose Steppe von Aserbeidschan belohnt. Und dann besuchen wir die uralten Höhlen, die Wohnunterkünfte der Mönche – teilweise mit fantastischen Fresken bemalt. Es erstaunt mich immer wieder, dass hier alles frei zugänglich ist und es keinen Eintritt kostet oder Wachpersonal gibt.
Wir arbeiten uns wieder nach unten und besuchen noch kurz die Kirche bevor wir uns auf den Rückweg nach Tbilisi machen.
Nach einer Kurve werden wir jäh gestoppt von einem Soldaten, der uns mit einem Maschinengewehr bedroht und diversen Kampffahrzeugen. Sasha versichert uns „es sind die Guten“, also georgische Soldaten und wir sind in eine Gefechtsübung geraten. Nach einiger Zeit werden wir vorbei gewinkt und der Soldat entschuldigt sich sogar noch für die Unannehmlichkeiten.
Wir fahren zurück durch die Industriestadt Rustavi und beschließen, diese auch noch einmal zu besuchen. Das muss allerdings bis zum nächsten Besuch in Georgien warten.
George wartet schon im Restaurant auf uns und wir müssen uns noch quer durch die Stadt durch den Freitagabend Verkehr quälen bis wir das wunderschöne Terrassenlokal oberhalb der Stadt erreichen.
Den letzten Tag verbringen wir mit einem sehr, sehr gemütlich Stadtbummel. Ein toller Ausklang für eine erlebnisreiche Reise mit vielen Eindrücken.
Justizgebäude, bei uns so etwas wie ein Bürgerbüro.
Blos nicht falsch rum in die Einbahnstraße!
Marktverkäufer zwischen „alten Freunden“
Abschiedsessen, vorbereitet für uns!
Für Jennifer und Renate ist klar, im nächsten Jahr kommen wir wieder und für mich sind es ja nur 4 Wochen, dann geht es auf eine neue Reise in diese fantastische Land, dann nach Tuschetien in den großen Kaukasus.
Lieber Jens
tolle Bilder, toller Kommentar, tolle Reise ! Ich strenge mich an, dass meine Gesundheit die Reise nächstes Jahr vielleicht doch aushält ….
Herzliche Grüsse
Richard